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Gute Medien – Böse Medien

Statement der Initiative „Medienbildung JETZT!“ zum Thema

In öffentlichen Diskussionen gibt es verbreitete Tendenzen, die Beschäftigung mit digitalen Medien wie Spielen und Social Media als Zeitverschwendung oder sogar als schädlich anzusehen. Diesen Medien wird das Lesen „guter Bücher“ gegenüber gestellt, das stets eine positive Wirkung entfalte. Der Text genießt auch im Unterricht den höchsten Stellenwert, Film und Ton werden gelegentlich, aktuelle digitale Medien nur selten eingesetzt.

Die Argumentationslinie folgt dabei dem historisch lang gepflegten Gegensatz zwischen ernster Kunst und leichter Unterhaltung und ist geprägt von einer kulturpessimistischen Skepsis bis Ablehnung neuer Technologien und Praktiken. Zumeist sind es gerade „neue“ Medien, Massenmedien und Jugendmedien, die verdächtig erscheinen. Kinder und Jugendliche gelten als besonders formbar, an ihnen sollen negative Medieneinflüsse ihre ganze Wirkung entfalten können. So galt im 18. bis hinein ins 19. Jahrhundert das Lesen von Romanen als schädlich, im 20. Jahrhundert waren es Comichefte, Film und Fernsehen, heute Computerspiele und soziale Online-Netzwerke. Die Positionen der „guten” wie „bösen” Medien haben historisch oft gewechselt: So waren etwa Romane im 19. Jahrhundert „böse” Medien und heute sind sie „gute” Medien. Konstant ist lediglich die Vorstellung, dass man Medien derart kategorisieren könne.

Werden „gute“ und „böse“ Medien gegenübergestellt, wird suggeriert, dass die Form – das Medium – Inhalt und Rezeption bestimmt, als sei etwa das Papier dem Bildschirm an sich qualitativ überlegen.

Wir lehnen derartige Wertzuweisungen ab und treten für einen offenen, vorurteilsfreien und differenzierten Blick auf alle Medien ein. Es gibt keine „bösen” und keine „guten” Medien.

Gerade das Internet kann als ein Meta-Medium angesehen werden, das in der Lage ist, nahezu alle Medieninhalte zu transportieren, sei es Text, Bild, Ton oder Film, und das außerdem als Kommunikationsmedium fungiert. Ein Smartphone ermöglicht auch den Zugriff auf jene Medieninhalte, die über das Internet transportiert werden; dadurch wird die gleichzeitige Nutzung mehrerer Medienkanäle möglich, die sich zudem gegenseitig ergänzen können (second screen). Beschäftigung mit dem Internet an sich als „böse”, schädlich oder Zeit verschwendend zu bezeichnen, kann nur zu kurz greifen.

Entscheidend für die „Qualität“ von Mediengebrauch ist nicht der mediale Kanal, sondern die nutzbringende Einbettung in den eigenen Alltag, wobei wir unter Nutzen nicht nur Information sowie beruflichen oder schulischen Nutzen verstehen, sondern auch Unterhaltung, Entspannung, kreative Entfaltung etc. Dazu sind grundsätzlich alle Medienkanäle und -inhalte geeignet, sofern NutzerInnen über die Fähigkeit verfügen, sie zu dekodieren (zu „lesen“) um Inhalte und Erfahrungen sinnvoll zu verknüpfen. Dabei muss zugleich eine Auswahl unter den unzähligen zur Verfügung stehenden Medienkanälen getroffen werden.

Diese zentralen Fähigkeiten zum tiefen Verständnis und zur Selektion von Medieninhalten müssen gefördert werden. Kritische Auseinandersetzung mit Medien und medialen Inhalten aller Art, auch in Verbindung miteinander, sollte im Bildungsbereich einen höheren Stellenwert erlangen. Kompetenzen von Jugendlichen in der Dekodierung z.B. von digitalen Medien sollen anerkannt, genutzt und verbreitet werden. Die Medienwelt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert, und nur durch einen offenen Zugang werden wir in der Lage sein, auf die Veränderungen der Zukunft angemessen zu reagieren.